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Woche 6: Herbstanfang

Ich hab das Gefühl, der Herbst ist jetzt auch in Irland angekommen - und zwar so richtig mit Regen und Wind und diesen nervigen Dingen (ja, ich mag es auch, von drinnen Regentropfen zu beobachten, aber morgens um halb neun fast eine halbe Stunde darin zur Schule zu laufen ist echt nicht so schön muckelig wie es in solchen Momenten zu Hause mit einer Tasse Tee und Scones wäre). Außerdem hatte ich diese Woche tatsächlich mal wieder fünf Schultage am Stück - auch wenn es gar nicht so geplant war.

Eigentlich war für Mittwoch nämlich ein Treffen mit meiner Organisation in Cobh angesetzt, zu dem alle Austauschüler*innen aus ganz Irland, die bei meiner Organisation sind, kommen sollten. Auch wenn ich schon so gegen sechs hätte aufstehen müssen, um dann drei Stunden Bus zu fahren, hab ich mich gefreut, auch mal die anderen aus anderen Countys und Regionen kennenzulernen und sich über die vielen Erlebnisse auszutauschen und gegen einen schulfreien Tag hab ich ja eh nichts. Tja, wäre wäre Fahrradfähre - wie ihr schon ahnt, ist es anders gekommen: Dienstag Abend haben ich und die anderen Austauschüler*innen aus Waterford die Nachricht bekommen, dass wir am Treffen morgen nicht teilnehmen können. Der Grund? Eine Brücke auf dem Weg dahin, die gerade Wartungsarbeiten hat. Eine Brücke mit Wartungsarbeiten. Hier im Blog komm ich gerade ziemlich gelassen über diesen Fakt rüber (bin ich mittlerweile auch etwas mehr), war ich am Dienstag um 19 Uhr aber eher weniger. Ich dachte, NRW wäre ja schon schlimm mit den ganzen in die Jahre gekommenen Brücken und Straßen, aber nein, dann kommt Irland, wo man durch ein so ein Teil nicht von A nach B kommt. Gut, laut der Koordinatorin hätte es noch einen anderen Weg gegeben, das wäre das aber ein riesen Umweg und wir wären zu spät zum Treffen da. Und Pünktlichkeit ist ja immer wichtig, wie besonders die Deutschen wissen.

Naja, musste ich halt zur Schule. Dort wurde nach langer Bange meiner Mitschülerinnen angekündigt, dass das jährliche Musical des Transition Years stattfinden kann, weshalb alle total happy waren. Es wir wahrscheinlich eher eine Art Variety Show, weil sich die Klassen durch Covid nicht untereinander mischen dürfen und zur Aufführung im Mai werde ich auch nicht mehr da sein, aber allein die Vorbereitung in Fächern wie Musik, Arts und Dance machen total Spaß. Ansonsten gibt's nicht viel neues - in Personal Development malen wir immernoch Mandalas und unsere Speech & Drama Lehrerin spendiert uns noch immer Schokoriegel, über die wir nach dem Verzehr debattieren. Im Deutschunterricht bin ich von Schülerin zur Helferin von Schülerinnen und der Lehrerin aufgestiegen - sowohl in Stillarbeitsphasen, als auch beim Analysieren von Liedtexten und glaub nicht, das wäre immer so einfach! Zum einen musste ich typisch deutsche Gerichte ins Englische mediaten, wo ich bei jedem zweiten nichts besseres als ,,some sort of meat" sagen konnte, zum anderen anderen haben wir den Song ,,Nur ein Wort" von  Wir sind Helden gehört und den Text auf englisch gelesen, den die Lehrerin durch Google Translate gejagt hatte, wie sie zugab (ist ja nicht so, als hätte sie deutsch studiert oder so) und ich die so entstandene Ansamlung von Wörtern sinvoll erklären sollte. Kleines Rätsel: Was ist wohl die ursprüngliche Bedeutung von ,,I talk to your feet"? Ja, da musste auch ich ein wenig schmunzeln. Meine Top-Wortneuschöpfung der Woche von der Lehrerin: (,,Dankeschön") -,,Gutgeschehen".

Auch nach der Schule hab ich jetzt was zu tun, (außer mit den 24/7 bellenden Hunden zu Hause auf meine Hostmum zu warten und vor Hunger fast zu krepieren), denn wie letzte Woche schon angekündigt starten die Clubs und AGs! Da choir erst im November los geht, war Dance am Mittwoch das erste (ja, das hab ich auch als Schulfach, aber nicht jede Woche, weil es eine rotating class ist). Die leitende Lehrerin (die auch meine Deutschlehrerin ist) meinte schon vorher, dass es nicht sonderlich schwierig wird, aber damit, dass wir den Ketchup Dance tanzen, hab ich echt nicht gerechnet - wir hatten unseren Spaß 😂 Athletics am Donnerstag war auch super und vom Runden laufen im Regen hab ich mich sogar nichtmal erkältet (Stand jetzt). Seit längerer Zeit bemühe ich mich auch darum, dass ich hier weiterhin Cellounterricht nehmen kann, was sich als viel schwerer als gedacht herausstellt - ich konnte zwar schon mit einer Mitschülerin zu einem Jugendorchester kommen und hab Kontakt mit einer Cellolehrerin aufgenommen, aber ich finde einfach niemenden, der ein Cello verleiht -_- Meine letzte Hoffnung ist mein Musiklehrer, der momentan verucht, etwas zu finden.

Am Freitag nach der Schule war ich mit Jette im Lidl einkaufen, denn wir beide hatten den Cheddar mit labbrig-weißem Brot ein wenig satt. Wir haben auch nicht schlecht geguckt, als wir gecheckt haben, dass die ganzen Süßigkeiten in der Weihnachtsabteilung (,,Der Spekulatius wird jedes Jahr auch noch früher verkauft, du") deutsch waren und so auch deutsche Namen wie Baumstammkuchen oder Lebkuchenherzen trugen.

Weil ja das Treffen mit meiner Organisation am Mittwoch ausgefallen ist, wurde es für die Austauschschüler*innen aus Waterford am Samstag Vormittag nachgeholt. Im Haus der Koordinatorin, was so ziemlich um die Ecke ist, haben wir viel geredet, zum Beispiel darüber, wie wir uns eingelebt haben und zu wem man mit all seinen Problemen kommen darf und anschließend Pizza bestellt. Zwar hatte ich noch den Zahnpastageschmack von drei Stunden zuvor, aber geschmeckt hat's trotzdem. Danach hab ich mit Wiebke und Moritz einen atemberaubenden Spaziergang entlang der Klippen gemacht (wovon ich ein paar Fotos selbstverständlich in der Gallerie hochgelanden habe), es war total nebelig und man konnte so ziemlich nur den Weg sehen, und abends einen Film geschaut.

Für Sonntag war besseres Wetter gemeldet und deswegen hatten wir schon früh eine Mission: Einmal im Meer schwimmen gehen - und das nicht ganz langweilig am Strand, sondern in einer Bucht bei den Klippen. Gegen zehn Uhr waren wir, Wiebke, Moritz (welchem es zu kalt war und deshalb nur Fotos gemacht hat (auch ein wichtiger Job)) und ich, dort und sind ohne viel nachzudenken ins Wasser. Und nein, wir waren nicht die einzigen Verrückten, wie fast immer waren auch an diesem Sonntagmorgen bei zehn Grad wagesmutige Schwimmer*innen am Start.  Wahrscheinlich machen die das aber auch jeden Sonntag seit zwanzig Jahren und sind total abgehärtet. Mit gaaanz viel Bewegen ging es dennoch irgendwie, dass wir ganze zwanzig Minuten darin ausgehalten haben und ich muss sagen, dass es ein ganzschönes Erlebnis war und dafür bin ich ja hier!

Nachmittags waren wir auf einem Familientreffen meiner Gastmutter in einem Restaurant, wo ich ihre Geschwister, Nichten und Neffen und was weiß ich nicht alles wen getroffen habe - es waren viele. Eine große Liste an Gesprächsthemen gab es zwischen uns nicht, eigentlich wurde ich nur gefragt wie mir Irland gefällt und dann saß ich für den Rest des Treffens wortlos da, aber immerhin war das Essen gut. Bestellt hab ich einen Blue Cheese-Rote Beete Salat, der Käse war wirklich extrem würzig, aber in Kombination war es super. Viel mer vegetarische Auswahl gab's auch gar nicht, kennt man ja auch aus deutschen gut bürgerlichen Restaurants. Das Wetter war gar nicht mal so schlecht und wir konnten ein paar Esel und Ponys, die dort auf einer Wiese standen, füttern und abends bin ich mit Jette zu den Klippen gegangen um ein paar schöne Fotos vom Sonnenuntergang zu machen. Ich hoffe, die Sonne bleibt noch etwas für die nächste Woche!